wie schon in meiner Vorstellung “... noch ein Neuer” angekündigt, folgt ein Bericht über meine Aktivitäten an einem geerbten Grundig-SV140-Verstärker.
(Neben diesem Teil habe ich noch einen Grundig-RT100-Receiver, zwei Heco-Boxen Superior 700 SW, einen Einbau-Plattenspieler Dual 1219, einen CD-Player Sansui CD-V350 und ein Tonbandgerät Uher Royal Deluxe geerbt, also theoretisch Arbeit bis zum Anschlag!)
Ich werde meinen Bericht in Paketen servieren, denn zwischendurch sitze ich in meiner Hobby-Werkstatt und arbeite weiter...wobei “Arbeit” nicht ganz stimmt, denn erstens bin ich Rentner und zweitens macht's auch Spaß, die längst verschüttet geglaubten Kenntnisse und Fertigkeiten mal wieder zu reaktivieren!
Außerdem gibt's auch noch andere Dinge im Leben und das Schlimme am Rentner-Dasein ist die Tatsache, dass man (frau) keinen bezahlten Urlaub mehr hat...
Also los, hier kommt Paket 1!
1) Äusserer Zustand, optischer Eindruck, Unterlagen
Der Verstärker sieht aus wie neu, lediglich eine kleine Macke im furnierten Gehäuse (ich habe die Teak-Ausführung) harrt ihrer Ausbesserung.
Kein großes Problem: Wenn's durch sachtes Wässern, Trocknen, Schleifen und neu Lackieren nicht zu richten ist, setze ich ein kleines Stückchen Furnier ein und schleife und lackiere erneut, aber das hebe ich mir bis ganz zum Schluß auf.
Da der Verstärker (und alle anderen genannten Komponenten) aus einem Nichtraucher-Haushalt stammt und selten benutzt wurde, ist nichts versifft oder verklebt. Sämtliche Skalen und Beschriftungen sind einwandfrei und sauber.
In der Original-Betriebsanleitung steckte nicht nur die Rechnung von damals, sondern auch der Stromlaufplan, wie es anno 1970 noch üblich war.
(Die Japaner haben davon jahrelang profitiert, glaubt mir!)
Den dazu passenden “Grundig-Reparaturhelfer SV140/200” habe ich mir im Internet gezogen (https://www.audioservicemanuals.com/g/g ... ice-manual), die etwas besseren Werkstatt-Manuals gibt's bestimmt auch noch, aber wo?!
("Kein Bild, kein Ton? Wir kommen schon!")
Massiv und stabil gebaut, mit technischen Daten, die sich auch heute noch sehen lassen können, war der SV140 seinerzeit so ziemlich der beste HiFi-Verstärker, den man kaufen konnte...wenn man ihn denn kaufen konnte! 1250 DM waren nicht gerade billig, das wären heute ca. 2417 €! (Umrechnung nach https://www.altersvorsorge-und-inflatio ... aehrung=DM)
2) Genauer hingeschaut
Alle Schiebepotis sind schwergängig. Wen wundert's? Nach so langer Zeit und seltener Benutzung ist alles trocken und/oder verharzt. Der Firma Preh kann man keinen Vorwurf machen, im Gegenteil: Diese alten Teile kann man wenigstens noch retten, die heutigen Plastik-Flachbahnregler hätten sich nach gut 50 Jahren längst in ihre molekularen Bestandteile aufgelöst.
Fraglich ist allerdings, weswegen Grundig überhaupt Schiebepotis eingesetzt hat, aber die Optik und “Studio-Anmutung” waren wohl entscheidend. Gut ist, dass schon beim reinen Betrachten der Schiebepoti-Stellungen eines funktionierenden SV140 auf die Ferne feststellbar ist, ob die Boxen etwas taugen und/oder in wie weit der Hörschaden des Betreibers fortgeschritten ist...

Schaut man sich den Stromlaufplan genauer an, (an)erkennt man schnell, dass die Grundig-Entwickler schon relativ kurz nach der breiteren Einführung von Transistoren (Anfang/Mitte der 1960er) ziemlich viele Kniffs und Tricks kannten und angewendet haben.
Trotzdem finde ich manches grenzwertig:
- Das Parallelschalten der Endstufen-Transistoren ist heikel! Nicht umsonst wird im Grundig-Reparaturhelfer mehrfach darauf hingewiesen, nur eng gepaarte und vermessene Exemplare in Verbindung mit dazu passenden Treiber-Transistoren zu verwenden. Siemens hat damals beim BD130 diesen Selektionsjob für Grundig gemacht und gleich gepaarte Exemplare geliefert, trotzdem waren die Streuungen der B-Werte (nach heutigen Maßstäben und von Paar zu Paar gesehen) gigantisch...
Zwar gab's damals bereits den etwas leistungsfähigeren 2N3055, wie man im Stromlaufplan sehen kann, wo er als Ersatztyp für den BD130 aufgeführt ist, aber der wäre a) nicht von Siemens gewesen und hätte es b) (unter den technischen Randbedingungen) ebenfalls nicht “solo” geschafft.
- Eine Quasi-Komplementär-Endstufe sollte im “unteren Zweig” (also z.B. T5/T7 für den linken Kanal) zusätzlich zum Emitterwiderstand einen Kollektorwiderstand haben, da der untere Zweig eine Basis-Emitterstrecke weniger als der obere Zweig enthält. Alternativ kann man vor die Basis des “unteren” Treiber-Transistors (T511) eine Diode schalten. Nichts von beidem ist beim SV140 umgesetzt, die Gegenkopplung bzw. ein etwas unsymmetrischer Abgleich werden's schon richten!
- Auch das Parallelschalten von zwei Brückengleichrichtern B40C3200/2200 für die Endstufen-Versorgung ist eine Notlösung, die zwar besser funktioniert als bei den Endstufen-Transistoren, aber nach dem alten Grundig-Motto “Keine Kompromisse” wäre eigentlich eine Lösung mit einem diskret aufgebauten Brückengleichrichter aus 4 Einzeldioden (40 V, 6 A-Typen gab's damals schon) zu erwarten gewesen. Mehr Platz wäre dafür auch nicht erforderlich gewesen, also hat vermutlich irgendein Buchhalter oder Einkäufer diesen Ansatz als zu teuer verworfen.
- Umgekehrt ist dann aber bei der legendären “neuartigen Klangregelung” ein Aufwand getrieben worden, der wohl einzigartig ist: Passive Spulen/Kondensator-Filter bzw. -Bandpässe/-sperren mit Zwischenverstärkern zum Ausgleich der Pegelverluste findet man sonst höchst selten.
OK, das kann man so machen, aber ein “Kuhschwanz-Filter” (wie die übliche Bezeichnung wäre) läßt sich auch mit deutlich weniger Aufwand und mindestens gleicher Qualität ohne Spulen realisieren, indem man den Zwischenverstärkern frequenzabhängige und abstimmbare Gegenkopplungen verpasst. (Beispiel: Valvo-Transistor-Kompendium Teil III: Niederfrequenz-Verstärker, Abschn. 6.1.4.6 Aktiver Klangeinsteller, Ausgabe April 1970).
Zu vermuten ist, dass sich Max Grundig persönlich für die realisierte Passiv-Lösung eingesetzt hat, um seine aus der HF-Welt stammende “Spulen-Obsession” weiter ausleben zu können...na gut, reine Mutmaßung, ich kannte Max nicht persönlich!
3) Eingeschaltet...
Halt! Was ist mit den uralten Elektrolyt-Kondensatoren? Raucht da nicht gleich alles ab??
Naja, wer das teilweise im Netz verbreitete Halbwissen darüber glaubt, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
Zum Verständnis: https://de.wikipedia.org/wiki/Elektroly ... Elektrolyt
Ein paar abschließende Dinge zum Thema:
Selbstverständlich “altern” Elektrolyt-Kondensatoren, und das sogar, wenn sie nicht betrieben, sondern nur gelagert werden. Nach mehr als 50 Jahren Diffusion wird die noch vorhandene Kapazität gegenüber der aufgedruckten Nenn-Kapazität um wenigstens 50% abgenommen haben, die Spannungsfestigkeit dagegen hat eher zugenommen, weil zum Durchschlagen kaum noch etwas da ist.
Ein Test (mit Schutzbrille und -handschuhen) an einem rund 40 Jahre alten Wima-Elko (1000 uF, 16 V) aus meiner “Grabbelkiste” zeigte bis gut 45 VDC (!) keine Besonderheiten außer einem langsam steigenden Leckstrom von ein paar mA und leichter Erwärmung.
Ebenso selbstverständlich altern auch Tantal-Elkos, wenn auch langsamer, aber dafür spektakulärer: Der Kapazitätsverlust tritt durch Kristallisation des Feststoff-Elektrolyts ein, aber dadurch sinkt auch die Spannungsfestigkeit drastisch. Da die Tantals im SV140 hauptsächlich als Koppelglieder zum Blocken von Gleichspannungsanteilen verwendet werden, besteht auch hier zunächst mal keine unmittelbare Gefahr.
Trotz des demnach eher geringen Einschalt-Risikos habe ich den alten Trick aus meiner Röhrenverstärker-Jugend (Marshall, Vox, Echolette etc.) angewandt: Eine 60-W-Glühlampe in Reihe zur Verstärkerversorgung schalten. Das ist praktisch ein (preiswerter) Kaltleiter-Vorwiderstand und verhindert, dass sich irgendwelche “versteckten Mängel” (Korrosionsschlüsse, Dreck, Feuchtigkeit, brüchige Isolationen usw.) schlag- und bösartig auswirken. Am Verhalten der Glühlampe kann man ganz gut erkennen, was gerade abgeht...und (meist noch) rechtzeitig abschalten.
(Die besseren Radio- und Fernsehwerkstätten (Gott hab' sie selig!) hatten dafür Einstell-Trafos.)
Gesagt, getan: Keine Boxen, kein Kopfhörer und keine Signalquelle am Verstärker, dafür die 60-W-Lampe in der Netzleitung...und den Spannungs-wähler am SV140 auf 240VAC!
Beim ersten Einschalten: Nichts Spektakuläres! Die 60-W-Lampe leuchtet ganz kurz hell und glimmt dann nur noch gleichmäßig, keine Rauchzeichen aus dem Verstärker, die Skalenbeleuchtung leuchtet und das Lautsprecher-Relais zieht nach ca. 3 s an.
Na, dann abschalten, 'raus mit der 60er Lampe und wieder einschalten: Soweit immer noch alles gut!
Fortsetzung folgt!
HiFire